Redakteure

Menschen im Schatten

von Harald Schrapers

German Games sind Autorenspiele. Darauf sind wir stolz. Aber wer ist eigentlich dafür verantwortlich, damit aus einer Spielidee ein Spiel wird? Neben dem Autor wird der Name des Grafikers genannt, aber dann ist Schluss.

Wer im Kino gerne bis zum wirklichen Ende sitzen bleibt weiß, dass ein Abspann ins Detail gehen kann. Jetzt will ich zwar gar nicht wissen, welcher Praktikant dem Grafiker die Pinsel ausgewaschen hat. Aber wer als Redakteur für ein Spiel verantwortlich zeichnet und zumindest für den Feinschliff des Spiels gesorgt hat, interessiert durchaus. Doch bei den meisten Spielen bleibt dieser Mensch im Dunkeln.

Was ein Autor bei einem Verlag einreicht ist von einer Marktreife oft weit entfernt. Das meiste landet eh sehr schnell im Papierkorb, und am Rest bastelt der zuständige Redakteur in mehr oder weniger enger Abstimmung mit dem Autor oft noch monatelang herum. Der Anteil eines Redakteurs an einem guten Verlagsspiel liegt grob geschätzt zwischen 10 und mehr als 50 Prozent. Trotzdem ist der Nennung des Redakteurs eine Ausnahme.

Das wohl erste Mal, dass der Name eines Redakteurs auf einem Spiel erwähnt war, war 1988 bei ASS. Damals hatte gerade ein Finanzinvestor die Firma übernommen, den man heute wohl als „Heuschrecke“ bezeichnen würde. Sein Ziel war es offenkundig, ASS in die Pleite zu treiben. Er bestand auf die Namensnennung des Redakteurs allein deswegen, um die Verantwortung für den wirtschaftlichen Misserfolg auf andere zu lenken. Doch seine Strategie ging nicht auf. Der Redakteur hieß Reiner Müller. Und bei dem Spiel, um das es damals ging, handelt es sich um Klaus Teubers BARBAROSSA UND DIE RÄTSELMEISTER. Es wurde Spiel des Jahres und verkaufte sich in kürzester Zeit 300.000 Mal. An Insolvenz war da nicht zu denken.

Später arbeitete Reiner Müller bei Kosmos und hatte dort einen erheblichen Anteil am SIEDLER-Erfolg. Aber erst bei Goldsieber war sein Name wieder auf den Spielen zu finden. „Redaktionelle Bearbeitung: TM-Spiele“ stand da. Und das M stand für Müller, der zusammen mit Klaus Teuber der Initiator dieser Kleinfirma war, die als externe Redaktion die Spielelinie des Simba-Konzerns entwickelte. Später wechselte TM zu Kosmos und das Kürzel ist seitdem auf vielen quadratischen Spielen aus Stuttgart zu finden.

Den TM-Spielen war die Nennung des eigenen Firmennamens wichtig, um den Kleinverlag in Szene zu setzen. Das ist vergleichsweise unverfänglich. Denn einer Einzelperson würde womöglich unangemessene Eitelkeit unterstellt, wenn er auf seinen Namen besteht.

Dass beim Stuttgarter Kosmos-Verlag inzwischen auch die Redakteursnamen genannt werden, war ein Ergebnis des Umfangs des Spieleprogramms. Dies machte es notwendig, in Stuttgart zusätzlich eine verlagseigene Redaktion aufzubauen, die sich mit TM die Arbeit teilt. Da Kosmos die Zeile „redaktionelle Bearbeitung“ offensichtlich nicht missen wollte, finden sich dort die Namen der jeweils verantwortlichen Stuttgarter Redakteure.

Den Namen Wolfgang Lüdtke, der als TM-Geschäftsführer eine große Anzahl von erfolgreichen Kosmos-Spielen bearbeitet hat, sucht man weiterhin vergebens. Auch bei der Verleihung des Deutschen Spiele Preises an SÄULEN DER ERDE erklomm neben den beiden Autoren ein Kosmos-Verlagsgeschäftsführer die Bühne. Für Lüdtke blieb immerhin noch ein Platz auf dem „Familienfoto“.

Zwei Stammgäste auf der Spiele-Preis-Bühne sind Stefan Brück und Bernd Dietrich. Beiden wird dahingehend Anerkennung gezollt, dass ihre Namen auf den Schachtelrückseiten unter dem Stichwort „Redaktion“ beziehungsweise „Realisation“ erwähnt werden.

Auch der Abacus-Chef Joe Nikisch und der Hans-im-Glück-Verleger Bernd Brunnhofer werden zusammen mit verschiedenen Autoren regelmäßig für die von ihnen mitentwickelten Spiele in Essen geehrt. Trotzdem bleiben ihre Namen für das breite Publikum ungenannt. Brunnhofer benutzt sogar für die Spiele, die er als Autor erfunden hat, ein Pseudonym. Er bevorzugt das Unterstatement. Seinen angestellten Spieleredakteur nennt er neben anderen Spieletestern immerhin in der Zeile „Danksagungen“.

Wer Brunnhofers Namen irgendwo finden will, muss bei den Danksagungen des Heidelberger Spiels TRIBUN suchen. Hier wird er als Spieletester erwähnt. Übrigens wird hier der Heidelberger Verlags-Miteigentümer Harald Bilz als Chefredakteur genannt.

Bei Eggert ist es noch mal anders. Da steht der Name des Verlegers Peter Eggert, der zuletzt sehr erfolgreich war, dick auf der Schachtel. Sein ursprünglich als Eigenverlag gestartetes Unternehmen heißt so wie er, und damit ist klar, wer das jeweilige Spiel verantwortet.

Ich fände mehr Offenheit grundsätzlich richtig. Klar ist: der Autor steht im Mittelpunkt. Er kann, wenn ein Spiel aus einem Verlagsprogramm genommen wurde, sein Spiel inklusive aller Redaktionsleistungen einem neuen Verleger anbieten. Trotzdem ist eine ergänzende Information über den Redakteur einer Spieleedition richtig. Denn für viele gute Spiele ist das ein wirkliches Qualitätsmerkmal.

aus der Fairplay 2/08 (korrigierte Fassung)